
Bereits vor längerer Zeit habe ich zum ersten Mal von einem schwedischen Brauch gehört:
Er nennt sich „Döstädning“ oder auf Deutsch „Todesputz“.
Das mag beim ersten Lesen etwas makaber klingen. Doch man sollte sich von dem Begriff nicht abschrecken lassen.
Kurz gesagt, geht es darum, dass man seine Wohnung vor dem Tod auf- und ausräumt.
Einmal, um den Erben kein Haus voller Zeug zu hinterlassen. Die Erben müssen dann deutlich weniger Zeit investieren, um auszumisten und vielleicht auch weniger Geld ausgeben, um unbrauchbare
Dinge entsorgen zu lassen. Außerdem kann das Durchschauen einer großen Menge von Hinterlassenschaften eines Verstorbenen körperlich und emotional belastend für Angehörige sein.
Und zum Zweiten tut es einem selbst gut: Man befreit sich von unnötigem Ballast, entscheidet, was einem wichtig ist und schafft bewusst
Ordnung.
Damit muss man natürlich nicht warten, bis man alt ist. Es ist in jedem Lebensabschnitt möglich und lohnend, mit dem Entrümpeln zu beginnen.
Für mich ist das leicht nachvollziehbar.
Ich sehe den Nutzen sowohl für die
Erben als auch für mich selbst.
Wenn schon vor dem Tod Dinge in Ordnung gebracht, sortiert wurden und einfach insgesamt nicht mehr so viel da ist, ist es einfacher für die Angehörigen.
Mindestens genau so reizvoll wie der Gedanke, es anderen nach meinem Tod leichter zu machen, ist es für mich, schon lange vor dem Sterben mit
verringertem Besitz und Ballast zu leben.
Bereits beim Nachdenken darüber fühlt es sich leichter, befreiter, „aufgeräumter“, wohliger an.
Ich mache mir bewusst darüber Gedanken, was ich habe, was ich noch brauche, was mir Freude bereitet, was ich hinterlassen möchte und was nicht.
Was besitze ich, verwende es aber nicht (mehr)? Was steht mir im Weg, nimmt unnötig Platz weg?
Welche Erinnerungsstücke will ich aufheben, für mich selbst und/oder für die Nachkommen, weil sie einen hohen ideellen Wert haben? Und was ist einfach zu
viel des Guten? Was ist mir selbst nicht mehr wichtig und wovon ahne ich, dass es meine Erben nicht interessieren wird?
Habe ich Besitztümer, von denen ich mich durchaus trennen kann und die später niemandem in die Hände fallen sollen? Vielleicht Tagebücher, denen ich Gefühle oder Begebenheiten anvertraut habe, die zu unnötigen nachträglichen Verstimmungen führen könnten, weil spätere Lesende sie vielleicht falsch verstehen? Oder weil kein Gespräch darüber mehr mit mir geführt werden kann? Oder weil die Niederschriften persönliche Informationen über Dritte enthalten?
Die Erfinderin des „Döstädning“, Margareta Magnusson, schlägt vor, sich eine extra Wegwerf-Kiste anzulegen. In dieser Kiste hebt sie zu
Lebzeiten Dinge auf, die (vielleicht nur) ihr persönlich am Herzen liegen, Dinge, die für sie selbst wertvolle Erinnerungsstücke sind. Das können zum Beispiel Fotos oder Briefe sein.
Die Kiste erhält die Aufschrift „Wegwerfen“. So weiß die Familie nach ihrem Tod, was es mit dieser Kiste auf sich hat. Wenn die Angehörigen es möchten, können sie die Kiste entsorgen, ohne noch
einmal hineinzuschauen.
Margareta Magnusson hat ein Buch mit dem Titel „Döstädning“ geschrieben.
Die deutsche Übersetzung erschien 2018 und heißt „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“.
Auch im Internet findet man Artikel zum Thema.
Trotz des befreienden Aspektes, der mir einleuchtet, stelle ich mir einen „Todesputz“ durchaus anstrengend vor.
Doch es gibt ja niemand vor, innerhalb welchen Zeitraums er zu geschehen hat. Ich muss auch gar nicht komplett fertig werden (was vermutlich gar nicht geht).
Aber die bewusste Beschäftigung mit meinem Leben und mit den Spuren, die ich durch meine Habseligkeiten hinterlassen will, ist meinem Gefühl nach lohnend. Vielleicht ermöglicht sie mir, wenn es irgendwann ans Sterben geht, sogar ein leichteres Loslassen?
Dazu passt wunderbar ein Gedicht von Doris Bewernitz:
Atmen
Lass uns keine Vorräte mehr anlegen
Was können wir wissen
Vom nächsten Tag
Lass uns die Kammern leerräumen
Die Schränke die Schreibtische
Die Kästen die Schubladen
Die Keller das Herz
Dass Luft um uns ist
Dass wir atmen können
Und umarmen
Was auf uns zukommt
In wenigen Worten wird hier für mich deutlich, wie sehr wir aufatmen können und wie groß die Befreiung ist, wenn wir Lasten abgeworfen haben.
Wie wirkt diese Idee des "Todesputzes" auf dich? Kannst du dem etwas abgewinnen, oder wäre es nichts für dich?
04.05.2025
Bild von OleksandrPidvalnyi (pixabay)
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